verwandeln  
 
 
 
zu_fuss zu_fuss
zu fuß
Die S-Bahn bringt uns schnell von A nach B, schnell an weit entfernte Orte in der großen Stadt Berlin. Das war nicht immer so: Vor nicht mal 130 Jahren ging man noch zu fuß. Nur wer es sich leisten konnte, benutzte eine Kutsche.
In zwei Stunden zu fuß von Wedding nach Kreuzberg oder eine Tagereise von Buch nach Lichtenrade.
Damals bestand Berlin im Grunde nur aus dem heutigen Stadtzentrum. Mit dem Bau der neuen Vorortbahnen, den Radialen des heutigen S-Bahn-Netzes, bildeten sich viele kleine Zentren an den Bahnhöfen, entwickelte sich die Stadt mit den Schienen und umgekehrt. Die Wege dazwischen gerieten in Vergessenheit.
Heute sehen wir viel Grün rasch an den Fenstern der Bahn vorbeiziehen, ein Zeichen für Zwischenräume, für Leerstellen, für Übergänge. Heute werden zudem viele stillgelegte Bahnstrecken in Grünanlagen umgewandelt.
Das Gehen zu fuß ist in der schnellen Zeit, in der wir heute leben, eine neue Qualität. Im Gehen wird Raum erlebt. Im Gehen erhält der Stadt-Raum wieder ein menschliches Maß. Weil wir im Fahren den Bezug zu den realen Dimensionen verloren haben, erscheinen uns die unbekannten Zwischenräume unendlich groß. Die Entfernung zwischen A und B wird in Minuten, ja Sekunden gemessen, ungeduldig lässt man sich transportieren, jede Sekunde zählt.

Das Stadtkunstprojekt Transportale hat sich das Ziel gesetzt, den Menschen auf ihren täglichen Fahrten An-Halts-Punkte zu geben, sie zu animieren, für einen kurzen Moment innezuhalten.
In der einjährigen Vorbereitungsphase gehe ich, auf der Suche nach Orten für künstlerische Interventionen, die gesamte Strecke zu fuß. Ein detaillierter Wegeplan entsteht. Ich habe allen diesen Wegen Namen gegeben, assoziativ direkt auf den Ort bezogen.
Meine Pläne an den zweiundzwanzig Bahnhöfen der S-Bahnlinie S2 weisen den Reisenden meine Wege zwischen den Stationen. Von April bis Mai 2003 läuft Transportale im öffentlichen Raum. Ich gehe auch in dieser Zeit, aber diesmal nicht allein. Ich gehe mit Menschen, die ich bereits kenne oder die ich dabei kennen lerne. Gemeinsam befestigen wir hunderte alter Ansichtskarten aus aller Welt als Wegmarkierungen an den Bäumen entlang der Strecke.
Zwischen den Postkartenmotiven, den Wegenamen und der Umgebung entfalten sich vielfältige Beziehungen und Irritationen:
Wurde das Foto an diesem Ort aufgenommen, vielleicht vor sehr langer Zeit? Oder zeigt es etwas, das hier gerade fehlt? Der zweite Blick eröffnet neue An-Sichten oder unerwartete Perspektiven. Die Wahrnehmung wird geschärft für die kleinen unspektakulären Dinge der alltäglichen Umgebung oder für die wohltuende Ruhe eines idyllischen Sees inmitten der lauten Stadt. Gleichzeitig dringt vielleicht das stete Brausen eines unsichtbaren Meeres an die Ohren. Die nahe Autobahn ist ein Beweis für die Gleichzeitigkeit der Gegensätze.

Das Ausstellungsprojekt ist zu Ende, aber die Wege bleiben, zu fuß gehen kann jede und jeder, für sich und jederzeit. In der Broschüre zu fuß finden sich acht Pläne mit meinen Wegen zwischen den Stationen der S-Bahnlinie S2 und eine alte Ansichtskarte, verbunden mit der Bitte, diese an dem bezeichneten Weg an einer geeigneten Stelle zu befestigen. Der benötigte Bindfaden ist ebenfalls enthalten. (Text Wanderführer zu fuß)


Wege zwischen den Stationen der S-Bahnlinie 2 in Berlin, zusammengefaßt im Wanderführer zu fuß mit 8 Teilkarten. Stadtkunstprojekt Transportale 13. April bis 11. Mai 2003

< | >